Ein paar goldene Oktobertage führten uns von Mailand auf die Insel Elba - eine Reise voller Genuss, Meerblicken, kleinen Überraschungen und italienischem Lebensgefühl.
benvenuti a milano
donnerstag, 16. oktober 2025


Gegen vier Uhr verliessen wir den Zug in Milano Centrale. Alles kam uns bekannt vor - abgesehen von den vielen Baustellen, die uns zwangen, die Koffer über Treppen zu tragen, weil Lifte und einige Rolltreppe ausser Betrieb waren.
In der U-Bahn war es heiss und voll. Wir waren froh, sie nach sieben Haltestellen bei S. Agostino verlassen zu können. Doch auch hier hiess es für Reiner: Koffer schleppen. Die knapp 300 Meter bis zum Hotel Mercure Milano Solari zogen sich, aber wir wurden so herzlich empfangen, dass wir die Strapazen gleich wieder vergassen.
Der Rezeptionist liess sich auf mein schlechtes Italienisch ein und gab mir ein gutes Gefühl, indem er konsequent italienisch mit mir sprach und nur ein paar Worte auf Deutsch mit Reiner. Normalerweise wechseln alle sofort auf Englisch, sobald sie mit meinen seit einem halben Jahr mühsam angeeigneten Sprachkenntnissen konfrontiert werden.
Wir bezogen das Zimmer, machten uns etwas frisch und verliessen das Hotel Richtung Navigli. Ich hatte auf der Karte ein Lokal namens Spritz entdeckt, das wir nach einem viertelstündigen Fussmarsch erreichten. Erst als wir schon sassen, merkten wir, dass wir hier in einer kleinen Touristenhochburg gelandet waren. Egal - der Aperol Spritz schmeckte köstlich. Zum Erstaunen des Kellners lehnten wir das à-discrétion-Buffet für Apero-Häppchen ab. Wir hatten keine Lust, uns den Bauch mit Dingen vollzuschlagen, die wir gar nicht wirklich wollten.

Ein wundervoller Sonnenuntergang über dem Naviglio Grande riss uns hoch. Auf der hübschen Ponte Alda Merini drängten sich die Menschen, um die Szene mit dem Handy festzuhalten. Wir begnügten uns mit einem Foto von der Strasse aus, bevor wir uns für einen weiteren Aperitivo in ein nächstes Lokal setzten.



Wir schlenderten noch etwas den Kanal entlang, bis wir wieder Richtung Hotel gingen. Gleich um die Ecke hatten wir ein sizilianisches Restaurant entdeckt, in dem wir den Abend ausklingen lassen wollten.
Die Amunì Trattoria e Pizzeria Sicula war eine gute Wahl. Die sizilianische Pasta und der passende Wein waren ein Gedicht. Zum Abschluss teilten wir uns ein Tiramisu, obwohl ich eigentlich schon längst satt war.
scarpe e altro
freitag, 17. oktober 2025
Der Himmel war grau, als wir das Hotel Richtung Börse verliessen. Mir schien, als sei die ganze Stadt eine einzige Baustelle - auch dieses Quartier bildete da keine Ausnahme.
Auf der Piazza degli Affari steht die Skulptur "LOVE", allgemein bekannt als Il Dito ("der Finger"). Die riesige Hand zeigt dem gegenüberliegenden Palazzo Mezzanotte den Mittelfinger, während die übrigen Finger abgeschnitten sind. "LOVE" steht für "Libertà, Odio, Vendetta, Eternità" - Freiheit, Hass, Rache, Ewigkeit. Der italienische Künstler Maurizio Cattelan hat die genaue Bedeutung nie erklärt. Laut Wikipedia wird das Werk meist entweder als Kritik an religiösem Fanatismus und faschistischen Symbolen verstanden oder als Protest gegen die Finanzwelt nach der Krise von 2008.




Anschliessend fuhren wir ins Quartier Brera, unternahmen dort aber nicht mehr viel - um zwölf trafen wir nämlich meinen Göttibueb zum Shoppen. Am nächsten Tag war seine Firmung, und er durfte sich sein Geschenk aussuchen. Ich dachte an Lego oder Playstation-Spiele, doch der elfjährige Junge wünschte sich Turnschuhe.

Er führte uns in die Innenstadt, wo er ein paar Modelle begutachtete, aber in den ersten Läden gefiel ihm nichts. Erst im Nike-Store wurden wir fündig. Selbstbewusst fragte er die Verkäuferin nach seiner Grösse, und ich war überrascht, wie ernst sie ihn nahm. Zwei Paar Schuhe kamen in die engere Wahl - und als ich meinte, dass er dürfe beide haben, entschied er, lieber im nächsten Fussballladen noch etwas auszusuchen. Gesagt, getan: Wir stöberten weiter. Ein Trainer gefiel uns allen, war aber zu gross. Seine Grösse gab es nicht mehr. Ein anderer war zu klein - aber einer mit Inter Mailand-Emblem, seiner Lieblingsmannschaft, passte perfekt und gehört nun ihm.

Zu Hause liefen die Vorbereitungen für die morgige Firmung auf Hochtouren. Wir liessen die Frauen werkeln und schauten uns in der Fondazione Prada um. Eigentlich setzten wir uns bloss in die Bar und verschoben den Museumsbesuch auf ein nächstes Mal.

Für den Abend hatte uns meine Schwägerin eine Weinbar in der Nähe unseres Hotels empfohlen. Sie selbst musste noch etwas erledigen und konnte uns nicht begleiten. Der Tipp war gut: Die Tannico Wine Bar war sehr gemütlich, der Wein ausgezeichnet - und das Essen ebenso.





cresima
samstag, 18. oktober 2025
Eine gute halbe Stunde bevor die Firmung begann, sassen wir bereits in der Kirche und hielten Plätze für Familie und Freunde frei. Der Raum füllte sich rasch - alle Stühle waren belegt, nur die Kirchenbänke vorne blieben noch leer für die Firmlinge mit ihren Göttis und Gottis. Ein Geschnatter, ein Kommen und Gehen, ständiges Tuscheln und Begrüssen - und immer wieder mahnte der Pfarrer zur Ruhe, was jeweils nur kurz Wirkung zeigte.
Pünktlich um halb elf zogen die Kinder mit ihren Paten, die Ministranten mit Weihrauchfässern, der Pfarrer und der Bischof ein. Hälse reckten sich, Köpfe drehten sich - da ein Lächeln, dort ein Winken, wenn jemand sein Kind entdeckte. Mein Göttibueb war das letzte von siebzig Kindern.

Der Pfarrer war mir, wie schon im Vorjahr an der Erstkommunion, sehr sympathisch. In einfacher, kindgerechter Sprache sprach er zu den Firmlingen, die ihn ehrfürchtig anschauten.
Die Kirche war zum Bersten voll. Links und rechts der Kirchenbänke im vorderen Bereich durften die Eltern ganz nahe bei ihren Kindern sitzen. In den hinteren Reihen hingegen reichte der Platz nicht aus, sodass viele stehen mussten.
Selbst während der Zeremonie blieb es laut: es wurde getuschelt, Leute wanderten umher - alle mit Handys bewaffnet, um ein "ihr" Kindes zu fotografieren. Einer hielt sein Telefon sogar ans Ohr. Ich konnte kaum glauben, dass jemand während einer Messe telefonierte.
Die Menschen hatten sich herausgeputzt, auch die Kinder trugen ihre schönsten Kleider. Manche Mädchen sahen in ihren festlichen Kostümen mit farblich abgestimmter Handtasche fast ein wenig verkleidet aus.
Im Anschluss versammelte sich Familie und Freunde in der Wohnung meiner Schwägerin. Ein grosszügiges Buffet mit italienischen Köstlichkeiten war aufgebaut, Prosecco und Wein flossen in Strömen. Auch Dessert, Grappa und Caffè durften nicht fehlen.



Ich liebe diese lauten Familienfeiern, so anders als jene in meiner Kindheit. Diesmal genoss ich das bunte Treiben noch mehr - auch, weil ich inzwischen ein paar Worte Italienisch verstehe.
Nach und nach verabschiedeten sich die Gäste, und es wurde ruhiger. Auch wir machte uns langsam auf den Weg zurück ins Hotel.
benvenuti all'isola d'elba
sonntag, 19. oktober 2025
U-Bahn oder Uber? Wir entschieden uns für die U-Bahn. Den Sixt-Schalter hatten wir bereits bei der Ankunft gesehen - er war zwar nicht in Betrieb, doch unweit davon standen zwei Mitarbeiter bereit, um Kunden zu betreuen.
Uns wurde ein Jeep Avenger angeboten. Ich verliebte mich augenblicklich in das Auto und wollte auf keinen Fall ein Upgrade. Der Mitarbeiter war sehr herzlich und freute sich, als er hörte, dass wir auf die Insel Elba wollten - er stammte aus Grosseto, nicht weit von Piombino, von wo die Fähre nach Insel ablegt.

Zum Auto waren es dann doch noch ein paar Hundert Meter Fussmarsch. Reiner verstaute die Koffer und dann fuhren wir los. Ohne Verkehr verliessen wir Mailand Richtung Süden. Auf der Autobahn gab es zahlreiche Baustellen, doch der Verkehr war so gering, dass wir trotzdem sehr zügig vorankamen. Bei der Rückreise am Freitag wird das bestimmt anders aussehen.
Unsere Unterkunft hatte uns einen Rabattcode über zwanzig Prozent für die Online-Buchung der Fähre zukommen lassen. Eigentlich wollten wir unterwegs buchen - 60 Euro sollte eine Überfahrt kosten. Doch wir zögerten, da wir unsere Ankunftszeit nicht genau abschätzen konnten. Was, wenn etwas dazwischenkäme?
In Piombino versuchte ich es erneut, doch online war sie nicht mehr verfügbar, und am Schalter war es zu spät für den Rabatt. Wir hatten die Wahl: entweder 90 Euro bezahlen oder eineinhalb Stunden warten. Wir entschieden uns für Ersteres - nun wollten wir einfach auf die Insel.


Mit dem Besitzer des Apartments hatten wir per WhatsApp vereinbart, uns zu melden, sobald wir in Portoferraio ankämen. Er schickte uns den Zugangscode und ein kurzes Video, das zeigte, wo wir unser Auto abstellen durften.
Den Parkplatz fanden wir auf Anhieb - es war der einzige mit einer Strassenlampe, sodass Reiner etwas zirkeln musste, um korrekt im Parkfeld zu stehen.

Das Apartment war klein, bot aber alles, was man brauchte - abgesehen von Duschmittel, Shampoo und genügend WC-Papier - und hatte eine grandiose Aussicht auf den Hafen von Marina di Campo. Einfach nur auf dem Balkon sitzen und die Gegend zu betrachten hätte eigentlich gereicht, doch wir wollten mehr sehen.
Als Erstes kauften wir die fehlenden Dinge. Der Conad lag etwa einen Kilometer von der Unterkunft entfernt. Auf dem Rückweg entdeckten wir zahlreiche Restaurants, Gelaterias und Bars - verhungern würden wir hier sicher nicht. Man merkte allerdings, dass die Saison sich dem Ende zuneigte: Einige Lokale hatten bereits winterdicht gemacht und geschlossen.
Den ersten Aperitivo auf Elba genossen wir im Il Veliero gleich bei unserem Apartment. Tagsüber war es angenehm warm gewesen, doch mit dem Sonnenuntergang kam eine kühle Brise auf.
Nur ein paar Schritte weiter standen blaue Stühle an weissen Tischen auf der Strasse, doch wir setzten uns zum Essen ins Innere des Ristorante Pizzeria Al Civico 16. Ich gönnte mir Gamberoni alla Grigliata und Reiner Pesce spada alla griglia, dazu Salat. Hinter mir buk der Pizzaiolo eine Pizza nach der anderen - und eine sah besser aus als die vorige. Und wie die rochen!



vecchi ricordi
montag, 20. oktober 2025
Die Italiener essen kein grosses Frühstück - ein caffè und ein süsses Teilchen genügen ihnen. Wir schlossen uns dieser Gewohnheit an und frühstückten in der Bar Il Drillo einen latte macchiato und ein brioche. Ein brioche ist eigentlich ein Croissant - gefüllt oder ungefüllt - und schmeckt besonders gut, wenn es noch ofenwarm und knusprig ist.
Als ich ein Teenager war, verbrachten wir die Herbstferien jedes Jahr auf die Insel Elba. Wir mieteten jeweils eine Ferienwohnung in der Nähe von Capoliveri. Das Schönste an diesen Ferien waren die anderen Familien mit Kindern, die wir jedes Jahr wiedertrafen und mit denen wir für zwei Wochen Freundschaften schlossen. Ich war gespannt, ob ich die Orte meiner Kindheit wiedererkennen würde.
Der erste Ort, an den ich zurückkehrte, war Capoliveri. Es ist die südöstliche der sieben Gemeinden auf Elba und zählte gemäss Wikipedia Ende 2024 rund 3950 Einwohner. Das Dorf liegt auf einem Hügel und verfügt über eine historische Altstadt mit verwinkelten Gassen und kleinen Plätzen.
Ich erinnerte mich nicht mehr genau an die engen Gassen und hübschen Plätze. Ob sich seit 1987, als ich zuletzt hier war, viel verändert hatte - oder ob einfach die Erinnerungen verblasst waren -, konnte ich nicht sagen.
Nach einem Spaziergang vorbei an kleinen Läden mit bunten Auslagen bestellten wir in der Trattoria da Franco Pasta. Reiners gnocchi cozze e pecorino waren sehr würzig, wenn auch etwas ölig, während meine penne in barca zu fad waren - die Rahmsauce trennte sich. Das war das erste und zugleich letzte Mal während unseren Italienferien, dass mich ein Gericht nicht in Jubel ausbrechen liess. Dafür war die Unterhaltung am Nebentisch umso kurzweiliger: Eine Familie mit zwei kleineren Kindern bekamm immer wieder Besuch von einem süssen Mädchen bekamen, das mit seinem Vater oder Grossvater im Lokal nebenan sass und lieber mitspielen wollte. Es hüpfte von einem Restaurant ins andere und wieder zurück. Und dann war da noch ein älterer Mann, offenbar ein Stammgast, der sich sein primo piatto und ein secondo piatto mit beeindruckendem Tempo einverleibte, den Kopf tief über den Teller gebeugt. Mir gefiel, dass hier die Einheimischen einkehrten.














Während unserer Familienferien hatten wir meist in einer Pizzeria nahe unserer Unterkunft oder in Porto Azzurro gegessen. Deshalb war ich gespannt, ob Porto Azzurro mehr Erinnerungen wachrief als Capoliveri. Und ja - bereits bei der Kurve, bevor wir das Hafenstädtchen erreichten, hörte ich in meinem Kopf das Lied "Die Fischer von San Juan". Zufälligerweise hatte die Kassette im Autoradio jedes Mal genau an dieser Stelle dieses Lied gespielt.
Auf den ersten Blick hatte sich das Städtchen kaum verändert. Beim genaueren Hinsehen bemerkte ich Parkuhren - ausser Betrieb zwar, aber früher war das Parkieren kostenlos gewesen. Die Pizzeria auf dem Platz, wo wir Kinder damals eine eigene Tischreihe fern der Erwachsenen besetzt hatten, existierte nicht mehr. An ihrer Stelle standen nun eine Bar und eine gelateria. Überhaupt gab es viel mehr gelaterie als früher.
Wir spazierten zur Molo Porto Azzurro. Zwei deutsche Kinder angelten dort, indem sie tonnenweise Brot ins Wasser warfen und hofften, dass ein Fisch vorbeikäme. Ein Entenpaar hatte das Brot entdeckt, doch nur der Erpel wagte sich, ein kleines Stück zu holen - und ass es in sicherer Distanz, ohne zu teilen. Wir erfreuten uns währenddessen an den Skulpturen und Bildern entlang der Mauer und genossen das herrliche T-Shirt-Wetter.














Unsere Tour führte uns über Rio Marina und zurück nach Marina di Campo, wo wir in der nahegelegenen Mirò Wine Bar di ESSEGI SNC Di Inguanta S. & Parrini G. einen Aperitivo nahmen. Zu unseren Drinks wurden Chips, Erdnüsse, Oliven und warme focaccia serviert. Selbst zur zweiten Runde kam wieder die gleiche Menge an Snacks - wir waren schon beinahe satt, als wir, wie am Abend zuvor, ins Ristorante Pizzeria Al Civico 16 gingen. Noch immer hatte ich den Duft der Pizzen in Erinnerung. Reiner und ich teilten uns eine Portion Mies- und Venusmuscheln - waren die gut! Und die Pizzen danach erst! Reiner musste mir allerdings bei meiner helfen: allein hätte ich sie nicht geschafft.


sulle tracce di napoleone
dienstag, 21. oktober 2025
Das Frühstück nahmen wir heute in der Pasticceria Le Delizie ein. Ich holte zwei latte macchiato und zwei brioche mit Pistazienfüllung. Der Kaffee war von Lavazza - eine Spur weniger gut als in der Bar Il Drillo, dafür waren die Gläser grösser. Das brioche war ofenwarm, satt gefüllt und sogar obendrauf mit Pistaziencrème belegt - etwas zu viel des Guten, aber das Gebäck selbst war ein Gedicht.

In der Nacht hatte es geregnet, doch nun war das Licht wundervoll. Wir nutzten das gute Wetter, um Portoferraio zu erkunden. Das Auto stellten beim Museo Archeologico ab und bezahlten pflichtbewusst die Parkgebühr. Eine Frau meinte, das sei in der Nebensaison gar nicht nötig, aber der Automat hatte unsere Euro bereits geschluckt.
Wir schlenderten am Hafen entlang, betrachteten die Boote und Häuserfronten und gingen durch das Porta di Mare auf die Piazza Cavour. Ein Wegweiser zeigte nach oben: zur Spiaggia Le Viste, zu den Fortezze medicee - Forte Falcone, zur Villa dei Mulini - Residenza Bapoleonica, zum Museo della Misericordia und zum Centro De Laugler - Pinacoteca e Biblioteca.











Wir erklommen die flachen Stufen und bogen oben links ab. Von dort bot uns ein herrlicher Ausblick auf die Spiaggia Le Viste, die Insel Lo Scoglietto und das offene Meer. Auf einen Museumsbesuch im Forte Stella verzichteten wir, denn ein kleines Hüngerchen machte sich bemerkbar, das wir im Ristorante Da Nedo stillen wollten.









Wir schauten in den bunten Gastraum. Nedo, ein uriger Mann in einer Trainerhosen schlurfte uns entgegen und wies uns einen Tisch im Zelt zu, wo noch goldene Weihnachtssterne hingen, Tische mit fleckigen Tischtüchern und abgeranzte Stühle standen.
Ob wir rote oder weisse Spaghetti wollten, fragte er. Die roten seien gut - mit Muscheln und Thunfisch. Secondo würden wir sowieso nicht wollen, wusste er bereits. Ich versuchte herauszufinden, was sich in den weissen Spaghetti steckte, doch er betonte immer wieder, die roten seien gut, also entschieden wir uns für die roten.
Dass wir dazu bloss Wasser und keinen Wein trinken wollten, brachte ihn fast zum Weinen. Was für ein Schauspieler. Zwischendurch sang er, machte Sprüche und vergass gelegentlich, was er gerade getan hatte. So stellte er einmal neue Teller hin, nur um festzustellen, dass der den Tisch bereits gedeckt hatte.
Die Spaghetti, von Nedos Frau zubereitet, waren ein Gedicht. Eine Platte voller Geschmack stand vor uns. Mit einer Spaghettizange schöpften wir die perfekt al dente gekochten Teigwaren mit einer Tomaten-Thunfisch-Sauce, kräftig gewürzt, aber nicht überwürzt. Die Menge der Sauce war genau richtig, um die Spaghetti zu umhüllen, und die Miesmuscheln waren auf den Punkt gegart. Ich hätte nicht gedacht, dass so ein einfaches Gericht sooooo gut schmecken kann!



Eigentlich wäre nun Zeit für ein gelato gewesen, doch die gelaterie hatten geschlossen, als wir das köstliche Mahl beendet hatten. Das Glace musste bis Marina die Campo warten. Da das Wetter so schön war und der Wetterbericht nichts Gutes verhiess, wollten wir nicht auf dem direkten Weg zurückfahren.
Unsere Route führte nach Procchio und der Küste entlang nach Marciana Marina. Immer wieder hielten wir an, um die Aussicht zu bestaunen. Von dort ging es weiter durch die Bergdörfer Poggio und Marciana und über Sant'Andrea entlang der Westküste zurück nach Marina di Campo.









Nun war das erste gelato fälltig und zwar in der Gelateria Ghibli. Es schmeckte, wie ein italienisches Glace schmecken muss: himmlisch!
Nach einer kleinen Siesta auf unserem Balkon, machten wir uns auf den Weg in die Mirò Wine Bar, um einen weiteren Aperitivo zu geniessen. Doch was sehen meine müden Augen? Alles dunkel. Schade. Also zurück ins Il Veliero - aber auch diese Bar war geschlossen. Wir konnten uns nicht erklären, warum. So verschlug es uns in die Bar Marik, bevor wir ins Restaurant 'Elbe gingen.



Ob wir die deutsche oder englische Karten wollten, fragte man uns. Wir verlangten nach der italienischen, was den Kellner sichtlich irritierte. Unser Italienisch war zwar nicht perfekt, aber bei den Übersetzungen weiss ich oft nicht, was für ein Gericht sich dahinter verbirgt, während mir die Bezeichnungen in der Originalsprache geläufig sind. Er traute uns nicht und legte sicherheitshalber die deutsch-englische Karte hinzu, die wir aber aus Prinzip nicht öffneten.
Wir teilten uns bruschette, jedes der vier Brote anders belegt. Danach ass ich Miesmuscheln mit Tomaten - wunderbar -, und Reiner wählte erneut gnocchi con cozze e pecorino, die diesmal deutlich besser waren als jene in Capoliveri.


Zum Abschluss trank Reiner immer einen caffè doppio. Da ich Kaffee ohne Milch nicht mag - und es in Italien ja quasi unter Strafe steht, nach dem Frühstück ein Milchgetränk zu bestellen -, winkte ich jeweils ab, wenn mir die Kaffeefrage gestellt wurde. Hier war man geschäftstüchtig und bot mir einen limoncello an. Was für eine gute Idee!
nessun mercato in vista
mittwoch, 22. oktober 2025
Ich schlief bis kurz vor neun Uhr. Seit ich mich erinnern kann, ist mir das noch nie passiert. Normalerweise bin ich ab fünf Uhr morgens putzmunter oder wenigstens wach. Der Himmel war verhangen, die Strassen nass, viel hatte ich also nicht verpasst.

Auch heute frühstückten wir in der Pasticceria Le Delizie. Uns gefiel das Flair mit den Einheimischen, die sich alle kannten, kurz einen Kaffee tranken, ein brioche assen, ein paar Worte wechselten und danach wieder verschwanden. Heute wählten wir die Variante mit Schokolade, vergleichbar mit pain au chocolat, nur dass die Schokolade weich, fast flüssig war und das Gebäck oben mit gehackten Haselnüssen bestreut wurde. Damit hatte ich mein Lieblingsgebäck gefunden.
Mittwochs soll sich auf der Piazza del Granatieri ein Wochenmarkt befinden. Dort wollten wir hin, doch statt Marktständen parkierten Autos auf dem Platz - vom Markt keine Spur. Etwas enttäuscht schlenderten wir die Via Roma zurück und setzten uns auf eine Parkbank. Drei Personen in auffallend eleganter, teurer Kleidung kamen auf uns zu. Eine Frau mit Gucci-Pullover fragte, ob wir aus der Schweiz seien, sie habe uns reden gehört. Ich bejahte und erzählte, dass wir aus Basel kämen. Wir unterhielten uns ein wenig, soweit es ging, dann verabschiedeten sie sich und drückten uns eine Karte mit einer Website-Adresse in die Hand. Sie deutete auf zwei Buchstaben in der URL und fragte, ob wir die kennen würden. Mir kam die Abkürzung nicht bekannt vor.
Als sie weg waren, öffnete Reiner die Website: Zeugen Jehovas - und ich hatte es gar nicht gemerkt. Vermutlich war ich schon beim ersten Satz einem Irrtum erlegen, aber die Unterhaltung war trotzdem nett. Nur missionieren konnten sie bei uns nicht.


Inzwischen zeigte sich die Sonne und wärmte die Luft. Wir gingen kurz in die Unterkunft, um uns leichter anzuziehen, und fuhren zum Mittagessen nach Porto Azzurro. Das Thermometer zeigte 29 Grad, die Sonne blinzelte zwischen immer dichteren Wolken hervor. In der Pizzeria mit Pasta & Pizza La Taverna kehrten wir ein. Für mich gab es paccheri mit zartem Tintenfisch, Reiner genoss einen Schwertfisch mit Thunfisch-Tomatensauce.


Als die Sonne endgültig hinter den Wolken verschwand, fuhren wir zurück und relaxten im Zimmer, bis es Zeit wurde für den Aperitivo. Heute war die Mirò Wine Bar wieder geöffnet, und wir genossen Chips, Oliven, Nüssli und Tortilla-Chips mit Tomatensalsa.
Zum Abendessen gingen wir ins Ristorante Bologna. Alle Gäste, die ich hörte, sprachen Schweizerdeutsch. Wir setzten uns auf die Terrasse und hofften, dass der Regen noch auf sich warten lassen würde. Reiner wählte eine Grillplatte mit Fisch und Meeresfrüchten, ich musste die cacciucco probieren - eine toskanische Fischsuppe. Dafür bekam ich ein Lätzchen umgebunden, auf dem ein Hummer prangte. Alle schauten amüsiert zu, und ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg.

Die Suppe war riesig: voller Muscheln, Fischstücken und Tintenfisch. Rundherum steckten mehrere Scheiben Knoblauchbrot in der Brühe, und obendrauf thronte eine grosse Garnele - süss, zart und köstlich. Das Gericht war herrlich, aber so mächtig, dass ich bald aufgeben musste. Es tat mir im Herzen weh, so viel Essen zurückgehen zu lassen, aber ich konnte einfach nicht mehr.
tra sole, nuvole e pioggia
donnerstag, 23. oktober 2025
Der letzte volle Elba-Tag brach an. Am gegenüberliegenden Hügel hingen dicke Wolken, keine Spur von Sonne.
Auch heute gab es in der Pasticceria Le Delizie unser inzwischen vertrautes Frühstück: brioche mit Schokolade und latte macchiato. Trotz des grauen Himmels freute ich mich, dass Reiner vorschlug, nach Cavo zu fahren. Wir nahmen den Weg über Porto Azzurro.
Bei einem Restaurant mit dem Namen Panigacci hielt Reiner auf meinen Wunsch kurz an. Ich schoss zwei Fotos aus dem Auto und schickte sie meinem Bruder - war das das Fontanella, in dem wir früher oft Pizza gegessen hatten? Auch er war sich nicht mehr sicher. Aber den Lido di Capoliveri, unseren allerersten Strand auf Elba, erkannte ich sofort wieder. Es war schön, den Felsen zu sehen, der diesen Strand vom Spiaggia Le Calanchiole trennt, wo wir später so viele unvergessliche Tage verbracht hatten.

Die nun zaghaft scheinende Sonne tauchte Porto Azzurro in ein zauberhaftes Licht. Wieder fuhren wir durch Rio Marina, ohne anzuhaten, denn Reiner wollte erst in Cavo ein Restaurant fürs Mittagessen suchen. Dort waren wir zu spät dran - nicht nur für die Mittagszeit, sondern auch für die Saison. Was noch nicht winterfest war, wurde gerade winterfest gemacht: Ein Tischfussballkasten wurde in ein Auto verladen, Restaurants oder Bars waren geschlossen. Uns blieb nichts anderes übrig, als umzukehren. Um nicht denselben Weg zu nehmen, folgten wir der Strasse nach Rio nell'Elba.

Dort entdeckte ich das Bar Ristorante Cipolla - Carletti Davide. Reiner manövrierte das Auto geschickt durch die engen Gassen und fand einen Parkplatz auf der Piazza del Popolo. Ich wollte mich orientieren, das Restaurant suchen, doch Reiner deutete auf eine geöffnete Bar. Ein Mann - ob Gast oder Angestellter, war unklar - meinte, die Speisekarte sei drinnen, also traten wir ein. Draussen war es ohnehin zu windig und zu kühl.
Rechts ging es in die dunkle Bar, links in das helle Restaurant, das sich in einem Wintergarten befand. Charmant mit seiner weiss gestrichenen Holzkonstruktion, den hübsch gedeckten Tischen und der tollen Aussicht. Die Bedienung war sehr freundlich, ich fühlte mich auf Anhieb sehr wohl. Amüsiert stellte ich fest, dass wir genau in dem Restaurant gelandet waren, das ich bei Google Maps herausgesucht hatte.
Wir waren die ersten Gäste, doch nach und nach füllte sich der kleine Raum mit deutsch- und französischsprachigen Besuchern. Als Meeresfrüchte-Fan esse ich spaghetti alle vongole und Reiner entschied sich für gnocchi al ragù. Seine dritten Gnocchi auf dieser Reise, aber eindeutig die besten. Offenbar hausgemacht, luftig und weich. Meine Spaghetti schmeckten nicht nur mir, sondern auch einem kleinen Mädchen am Nachbartisch, das begeistert zuerst die Muscheln ass und sich dann an die Teigwaren machte.


Nach dem Essen schauten wir uns die Chiesa die Santi Giacomo e Quirico an und drehten eine kleine Runde durchs Dorf, bevor wir Richtung Portoferraio aufbrachen. Noch hielt das Wetter, also planten wir, über die kleine Strasse von Poggio nach Marina di Campo zu fahren. Doch in Marciana Marina begann es wie aus Kübeln zu schütten. Schweren Herzens wendeten wir. Als wir Marina di Campo erreichten, hatte der Regen aufgehört, dafür war der Wind zu einem leichten Sturm angewachsen.






Aus Erfahrung von der Hinreise buchten wir die morgige Fähre rechtzeitig. Mit 60 Euro kamen wir günstig weg. Um 11:30 Uhr wird sie ablegen, eine halbe Stunde vorher sollen wir dort sein.
Den letzten Aperitivo liessen wir uns nicht nehmen. Wegen des Sturm setzen wir uns diesmal ins Innere des Il Veliero und schauten zu, wie der Wind draussen so einiges durcheinanderwirbelte und die Plane der Bar angriff.
Zum Abendessen wählten wir das Ristorante Pizzeria Al Civico 16. Der Chef und einer der Kellner hatten uns schon oft freundlich zugewunken, wenn wir daran vorbeigingen. Ich meine, den netten Kellner sogar einmal in Porto Azzurro gesehen zu haben.
Der Chef war heute nicht da, aber der Kellner freute sich ehrlich, uns zu sehen. Auch dieses Restaurant wird in ein paar Tagen schliessen, erzählte er. Er selbst fahre nach Hause - "a Napoli", sagte er stolz.
Ich konnte mich nicht entscheiden: Pizza oder Meeresfrüchte? Also bestellte eine pizza frutti di mare - beides in einem - und bereute meine Wahl keine Sekunde. Wieder war die Pizza hervorragend.
Der Sturm draussen nahm zu, der Strom fiel immer wieder aus. Gäste und Personal nahmen es gelassen; auf den Tischen standen kleine Lampen, die genugLicht spendeten. Nur Reiners Kaffee musste warten, bis der Strom wieder da war, aber das war kein Beinbruch.
Gegen den Wind kämpfend gingen wir zurück ins Apartment. Schlafen fiel mir schwer. Draussen klirrten Glasflaschen, vermutlich vom Wind umhergeweht, und immer wieder prallten Gegenstände gegen Geländer und Mauern. Hoffentlich würde morgen die Fähre fahren -hoffentlich standen die Balkonmöbel noch, wenn wir aufwachten.
la tempesta
freitag, 24. oktober 2025
Nach einer unruhigen Nacht stand ich früh auf und versuchte, die Fensterläden der Balkontür zu öffnen, doch die Stühle waren davor verkeilt. Reiner schaffte es, sie zur Seite zu schieben. Einer der Plastikstühle war über den Tisch hinweg auf die andere Seite geweht worden, doch zum Glück waren alles noch da. Die Tischdecke und den Aschenbecher hatten wir zum Glück rechtzeitig hereingenommen. Auf dem Balkon machten wir wieder Ordnung, bevor wir frühstücken gingen.
Auf dem Weg sah ich, dass mehrere Müllcontainer umgekippt waren - selbst der Glascontainer lag auf der Seite. Daher stammte wohl der nächtliche Lärm. Überall lagen Stühle, Blumentöpfe und haufenweise Piniennadeln - zumindest nehme ich an, dass es Piniennadeln waren - auf Strassen und Trottoirs.

Der Sturm hatte die Wolken weggeblasen. Bei herrlichem Sonnenschein trotzten wir dem Wind und assen auf der Terrasse, was gar nicht mal so einfach war. Der Wind versuchte, uns die Brioche zu entreissen. Es gelang ihm immerhin, die Nüsse und ein paar Krumen fortzufegen, und einem Stuhl musste ein Gast gar hinterherrennen, um ihn zurückzuholen.
Als wir mit unseren Koffern zum Parkplatz gingen, waren die Stadtmitarbeiter bereits emsig dabei, den Unrat zu beseitigen.
Wir waren früh dran. Um elf sollten wir in Portoferraio sein, um 10:20 Uhr trafen wir breits ein. Einige Autos und Wohnmobile hatten schon mehrere Reihen gebildet; offenbar warteten sie auf frühere Fähren.
Ein Mitarbeiter scannte unser Ticket und meinte etwas von elf Uhr. Ich freute mich, dass wir wohl eine halbe Stunde früher loskonnten. Er wies uns energisch an, schräg an die Poleposition einer neuen Reihe zu fahren - sehr zum Missfallen des Audi-Fahrer neben uns, der prompt ein paar Zentimeter vorfuhr, um seine Nase wieder vor unserer zu haben.
Die Zeit verstrich, doch noch immer keine Fähre in Sicht. Erst um elf Uhr traf die bunt bemalte Moby Niki ein. Fussgänger verliessen das Schiff, dann rollten Lastwagen, Wohnwagen, drei Reisecars und eine endlose Kolonne Autos heraus. Als auch das letzte Fahrzeug ausgeladen war, winkte uns der Mitarbeiter vor, doch der Audi-Fahrer blockierte noch immer den Weg, also durfte er, ganz der Held des Hafens, als erster fahren. Leider hatte er keine Ahnung, wohin, was die Männer mit lauten "Avanti, avanti!"-Rufen quittierten.


Wir folgten ihm auf Deck 5 und uns nach hinten aufs offene Oberdeck.
Der Seegang war gewaltig! Die Fähre schwankte von einer Seite auf die andere. Obwohl wir einige Meter über dem Meer sassen, wurden wir von den Wellen nassgespritzt. Das Salzwasser hinterliess auf den Brillen einen milchen Film, ich sah die Umgebung nur noch wie durch Nebel. Eine Lautsprecherdurchsage forderte die Passagiere an, sich wegen der widrigen Bedingungen ins Innere zu begeben. Das war leichter gesagt als getan. Beidseitig am Geländer festhaltend stiegen wir vorsichtig die steile Treppe hinunter. Bei einer besonders hohen Welle gingen wir beide in die Knie.
Drinnen angekommen, setzten wir uns an einen Tisch. Das Restaurant war geschlossen, die losen Stühle rutschten hin und her, und manch einer im Raum war grün um die Nase. Ich hoffte bloss, dass keiner neben mir erbrechen würde - sonst hätte es mich auch gleich erwischt.
Die Überfahrt dauerte rund anderthalb Stunden, also doppelt so lange wie geplant. Da wir ohnehin verspätet abgelegt hatten, erreichten wir Piombino fast eine Stunde später als vorgesehen.


Die Fahrt nach Mailand verlief dann besser als erwartet. Trotz vieler Baustellen und dichtem Verkehr kamen wir ohne Stau durch. Wir hielten mehrmals für kurze Pausen an.
Als wir in Mailand ankamen, war es bereits dunkel. Ich war etwas angespannt, denn die Autos drängelten sich kreuz und quer, Motorräder schossen links und rechts vorbei, und schwarz gekleidete Fussgänger schienen zu glauben, die Strasse gehöre ihnen.
Doch wir kamen unfallfrei beim Hotel in Bahnhofsnähe und fanden sogar direkt vor der Tür einen Platz, um kurz zu parkieren. Nach dem Einchecken brachten wir das Gepäck aufs Zimmer im Nachbarhaus und gaben gleich darauf das Mietauto zurück - alles problemlos.
Zum Abschluss gingen wir gegenüber ins Planeta Luna. Zur Vorspeise teilten wir uns Bruschette mit Stracciatella, Zitrone und Sardellen. Ich genoss ein letztes Mal Meeresfrüchte - Paccheri mit Calamaretti -, während Reiner Ravioli mit Spinat und Ricotta bestellte. Das Essen schmeckte hervorragend, trotz der etwas höheren Preise und der internationalen Gäste.



e poi tutto finì
samstag, 25. oktober 2025
Wir standen um halb sechs auf, machten uns parat und gingen zum Bahnhof, um unterwegs etwas fürs Frühstück zu kaufen. Letztes Jahr hatten wir dort ausgezeichnete Sandwichs mit Parmaschinken gefunden, doch diesmal war der Laden verschwunden - mitsamt dem Abgang ins Untergeschoss, den ich vergeblich suchte.
Unverrichteter Dinge wollte ich nicht zurückkehren, also stellte ich mich bei einem Stand in eine längere Schlange. Die Uhr tickte unbarmherzig und mir war bewusst, dass Reiner in der Bahnhofshalle wie auf Nadeln sass. Die Person vor mir kämpte ewig mit der Kreditkarte, bis das Gerät endlich 2.20 Euro akzeptierte. Als ich meine Focaccia bestellte, bejahte ich leichtsinnig die Frage, ob sie sie warm machen solle - zu meinem eigenen Ärger. Nochmals warten. Reiner würde inzwischen rotieren.
Endlich hielt ich das Frühstück in der Hand und rannte los. Auf der Anzeigetafel sah ich, dass das Perron bereits bekannt war, da hörte ich meinen Namen. Reiner kam mir entgegen. Wir passierten die Kontrolle, stiegen ein und waren erleichtert: geschafft! Zuerst war der Wagen fast leer, nur ein Japaner sass mit uns im Abteil. Doch mit jedem Halt stiegen mehr Leute zu, kaum jemand aus. Draussen zeichnete sich ein wunderbarer Sonnenaufgang ab, Nebelschwaden über dem Wasser, dahinter die Berge, der Himmel makellos blau. Ein letztes Geschenk dieser Reise.
In der Schweiz angekommen, regnete es Bindfäden. Fort war das schöne Wetter, und auch mit der Ruhe gleich mit, denn Rekruten enterten in Visp und später in Spiez die erste Klasse. Einer telefonierte lautstark und jammerte über seine Vorgesetzten, seine Schuhe und seine angeblich schwarz gefrorene Zehen. Es redete endlos weiter, bis er plötzlich kleinlaut "OK" sagte und auflegte. Offenbar hatte sein Gegenüber genug gehört.
Ab Bern mussten viele stehen, jeder Sitzplatz war belegt. Die Soldaten waren inzwischen ruhiger geworden und dösten. Dann gab es ein dumpfes Geräusch. Die Bierdose des Schwätzers war auf den Boden gefallen und hatte eine hässliche Pfütze hinterlassen. Die Frau gegenüber schüttelte ihn und fragte ihn, was er jetzt zu tun gedenke. "Was soll ich tun?", fragte er apathisch zurück, bis ihn weitere Passagiere aufforderten, endlich aufzuwischen.
In Basel hatte der Regen kurz aufgehört, setzte aber ein paar Tropfen wieder ein, als wir gerade den Hauseingang erreichten. Mit Aufschliessen der Wohnungstür war klar: Das dolce vita war vorüber, die Schlemmerei Geschichte.
Doch die Erinnerungen bleiben - und Elba wird uns ganz bestimmt wiedersehen, denn die Insel hat uns verzaubert.